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Geschichten und Texte

Bitten lasse ich mich nicht!
Anne-Kathrin Ziegler

Ein warmer Sommerabend. Der Wind weht, die Bäume wiegen sich sanft hin und her. Eigentlich könnte ich zufrieden sein mit diesem Tag. Eigentlich. Das Wetter war gut. Zum Glück. Sonst hätten wir im Regen stehen müssen. Werbung in der Fußgängerzone verteilen ist eh ein langweiliger Job, aber im Regen wäre es richtig unangenehm geworden.
Lange haben wir nicht verteilen müssen. Ein, zwei Stunden hat Vater gesagt. Daraus ist wohl eher eine geworden. Ich weiß sowieso nicht, warum er diese Zettel verteilt haben wollte. Er ist reich genug. Da müssen wir doch nicht auch noch Werbung verteilen. Außerdem könnte er so was ruhig auch mal selber machen. Ich bin doch nicht sein Dienstbote. Nach einer Stunde haben wir einfach aufgehört. Der Rest liegt jetzt irgendwo in einem Mülleimer in der Stadt. Ein schlechtes Gewissen hab ich schon ... aber nur ein bisschen. Wir hatten jedenfalls noch viel Spaß in der Stadt, ich und meine Freunde. Irgendwann mittags bin ich dann nach Hause gekommen und hab mich erst Mal ausgeruht. War ja auch ein anstrengender Tag in der Stadt. Mutter kam bald und hat mir etwas zu Essen gebracht. Aber es war Lasagne und sie weiß ganz genau, dass mir das nicht schmeckt. Ich hab sie wieder rausgeschickt und nichts gegessen. Das war vielleicht nicht so nett von mir, aber sie sollte sich auch langsam einmal merken können, dass dies nicht gerade zu meinen Lieblingsgerichten gehört. Danach habe ich, glaub ich, ein bisschen geschlafen und am Computer gesessen und so. Irgendwann kam dann Vater noch rein und fragte, wie es in der Stadt war. Anstrengend, hab ich gesagt. Und das war ja nicht einmal gelogen.
Trotzdem bin ich nicht zufrieden mit diesem Tag. Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Ich hab einfach auf nichts mehr Lust heute. Vielleicht sollte ich ins Bett gehen. Es klopft an der Tür. Meine Mutter steht davor, das weiß ich, aber ich habe keine Lust auf ein „ernsthaftes Gespräch“ , das sie jetzt sicher wieder mit mir führen will. Ich stelle mich schlafend. Trotzdem öffnet sie die Tür. Ich hab ihr das schon so oft verboten! Ich stelle mich weiter schlafend, sonst komme ich um dieses furchtbare Gespräch nicht herum. „Hallo mein Schatz, schläfst du schon?“ Oh, wie ich das hasse..... dieses furchtbare Wort: Schatz! Ich bin doch nicht ihr SCHATZ! Mein Gott, wann kapiert sie endlich, dass ich kein kleines Kind mehr bin! Ich würde am Liebsten schreien, aber sie soll nicht merken, dass ich wach bin. Jetzt rüttelt sie mich auch noch! Was soll denn das? Hat sie noch alle Tassen im Schrank? Die tickt ja wohl nicht mehr ganz! Ich gebe ein lautes Knurren von mir. „Ach Schatz, es ist etwas ganz wunderbares passiert: Dein Bruder ist zurück!“
„Was!!!!!????????“ Auf einmal schreie ich! Den ganzen Tag lang hatte ich schon dieses komische Gefühl im Bauch. „Freust du dich denn nicht?“ fragt meine Mutter. „Nein, ganz und gar nicht. Was fällt dem ein wieder hier aufzukreuzen?“ „Was soll denn diese Frage? Wir freuen uns alle riesig! Komm doch mit hinunter!“ „Nein, niemals!!!!!“ Ich könnte wirklich explodieren. Dieser Einschleimer.........
Nie hat er etwas für unsere Eltern getan. Ständig hat er sich Geld von ihnen geliehen und irgendwann ist er dann ganz abgehauen. Ich hasse ihn für das was er getan hat! Wie können meine Eltern nur so nachsichtig sein? Nein, nein, nein, ich bleibe hier oben.
„Bitte, komm doch mit!“, sagt meine Mutter in diesem weinerlichen Tonfall, den ich so sehr verabscheue. „Nein Mama, ich komme nicht und ich lasse mich auch nicht durch noch so viel Bitten erweichen!“ Sie schaut mich mit traurigen Augen an und geht. Es tut mir Leid für sie, aber ich kann einfach nicht!
Was fällt meinem Bruder ein, einfach wieder hier aufzutauchen und alles durcheinander zu bringen? Hier lief alles so gut ohne ihn!
Ich höre Schritte auf der Treppe. Es sind die schweren Schritte meines Vaters. Ich würde am liebsten die Türe zu halten, aber das wäre dann doch zu kindisch! Er öffnet die Tür. „Komm doch zu uns! Es wäre viel schöner mit dir!“, sagt er. Von wegen schöner. Mein Vater interessiert sich doch gar nicht für das, was ich mache! Hat sich noch nie dafür interessiert. „Nein, ich komme nicht!“ „Ich will aber das du mit kommst!“, sagt Vater auf einmal in einem ganz anderen Tonfall. Barsch und sauer klingt er jetzt. „Ich komme trotzdem nicht mit!“ antworte ich. Aber das hätte ich vielleicht besser nicht sagen sollen. Sein Gesicht wird rot vor Zorn und er schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Du kommst jetzt mit!“ Er zischt jetzt nur noch. Ganz leise nur, aber umso bedrohlicher. Doch das macht mich wütend und laut schreie ich: „Ich kann mich nicht darüber freuen, dass das Miststück von einem Bruder einfach so zu euch zurückkommt und ihr ihn auch noch mit offenen Armen empfangt! Weißt du eigentlich, wie viele Sorgen er euch schon bereitet hat? Das verdrängst du jetzt natürlich alles ... Klar, das ist heute nicht so wichtig.....!“ Die Gesichtsfarbe meines Vaters wechselt von rot zu rosa bis er schließlich ganz bleich ist. Er sagt nichts. Ich auch nicht. Meine Eltern verstehen sowieso nicht, was ich sagen will. Ich bleibe hier sitzen. Mein Vater dreht sich um. Läuft zur Tür. Was soll das denn jetzt? Solche Reaktionen kann ich überhaupt nicht leiden! Ich will jetzt nicht einfach aufhören zu diskutieren. Es gibt noch so viel, was ich sagen könnte. Und er haut einfach ab..... Soll er doch. Dann hab ich meine Ruhe. „Ich werde nicht kommen.“ Das musste jetzt noch sein. Mein Vater dreht sich um. Er schaut mich an. Ich drehe den Kopf weg. Ich lasse mich nicht überreden! Leise sagt er: „Wir würden dich genauso freudig empfangen wie deinen Bruder, wenn du endlich zurückkehren würdest!“
Die Sonne scheint zum Fenster herein. Ein Windhauch pustet durch das Zimmer und fährt durch meine Haare. Mein Vater schließt die Tür. Und ich bin alleine. Eigentlich könnte ich jetzt zufrieden sein. Eigentlich.

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